Die Zeichnungen von Doris Leue beeindrucken wegen ihrer Verspieltheit, Heiterkeit, Skurrilität, andere Blätter auch durch ihre Nüchternheit, Genauigkeit, ihren Ernst. Sie alle wirken nicht absichtsvoll sondern wie mühelos entstanden. Als eine Art a capella Vortrag lässt der Duktus viel von der inneren Konstellation der Zeichnerin erkennen. Stadtlandschaften werden zu vertrauten Lebensräumen, deren Lebendigkeit aus der inneren Gewissheit, aus dem Erlebnis der Künstlerin herrührt. Die naturkundlichen Objekte sind präzise und streng, trotzdem auch lebendig und liebevoll dargestellt. Wenn die Skelette der "Vögel im Naturkundemuseum" und die "Papageien" eine Komik haben, wird damit ihre Merkwürdigkeit für die heutige Lebenswelt pointiert erfasst. Das Zeichnen vermittelt die Würde seiner Gegenstände. Man hat in den Blättern von Doris Leue kein Übertönen der Gegenstands-Stimmen durch den Kunstausdruck und wegen vorgefasster Kunstabsichten. Die Bilderzählungen von Vögeln und Fischen, von Häusern und Plätzen, von den Musen, vom Zirkus verbinden sich zu einer Mythologie, die persönlich und doch mehr als nur privat ist. Das Subjektive erscheint in diesen Zeichnungen glaubwürdig genug, um allgemein und bedeutsam zu wirken. Hinter dem, was erzählt wird, gibt es eine innere Welt mit einer Fülle sich überlagender Facetten, wie sie der Zeichnerin eben zugewachsen sind. Was von ihrer Person sichtbar wird und sich in ihren Blättern niederschlägt, kann als Reife und Vitalität verstanden werden - eine freundlich-helle Lebenskraft, mit einem Überschuss, der sich als Humor, als Freude im Bildmotiv vermittelt. Es ist so, wie Gerhard Hillich 1997 über ihre Blätter schrieb: "Alles ist so uneitel vorgetragen, dass es instinktiv den Nerv vieler trifft."
Text: Jens Semrau.
Tue-Sun 12 noon - 7pm