Das Kopftuch der Migrantin. Ihr Kreuz tragen. Eine Ausstellung der Serie: SEIN.ANTLITZ.KÖRPER.  at St. Marien am Alexanderpaltz on Berlin Art Grid
Artists: anna und johannes blume, marta deskur, helen escobedo, julia krahn, alexandra ranner, peter riek

Die in Berlin stattfindende Ausstellungreihe SEIN.ANTLITZ.KÖRPER. KIRCHEN ÖFFNEN SICH DER KUNST. entwickelt sich weiter. Nach Ausstellungsstationen im Berliner Dom, in St. Thomas von Aquin und St. Canisius am Lietzensee wurde am Pfingstsonntag die in und außerhalb der katholischen Kirchengemeinde von St. Michael am Engelbecken kontrovers diskutierte vierte Hängung eröffnet.
Am Sonntag, den 22. Mai, lädt nun St. Marien am Alexanderplatz zu einer Präsentation mit dem Titel ‚Das Kopftuch der Migrantin. Ihr Kreuz tragen.‘ ein. Bei St. Marien handelt es sich um die älteste Berliner Gebetsstätte, erstmals urkundlich erwähnt ist diese - heute evangelische - Kirche der ‚heiligen Maria Mutter Gottes‘ gewidmet. Zahlreiche alte Mariendarstellungen in der Kirche zeigen die heilige Mutter mit Kopftuch, einem Kopftuch, wie sie auf der fotographischen Arbeit ‚Mutter‘ von Julia Krahn zu sehen ist. Mittig als Hüftstück portraitiert steht eine unbekleidete Frau dem Betrachter unmittelbar gegenüber. Ein weißes Tuch bedeckt ihr Haar und gleitet über die rechte Schulter hinab über die Armbeuge, der Blick konzentriert sich auf einen unsichtbaren Säugling, auf eine Leerstelle.

Kopftücher zeigt auch die 2003 geschaffene Arbeit ‚Fanshon‘ der polnischen Künstlerin Marta Deskur. Während eines Stipendiums im Berliner Künstlerhaus Bethanien fotografierte Marta Deskur die Kopftücher und Schleier von in Kreuzberg lebenden Frauen. Oft nimmt sie ihren Modellen das Gesicht, so dass nur noch die Tücher wie kleine textile Skulpturen zu sehen sind. Sie appliziert diese graphisch anmutenden Bilder auf Keramikfliesen, und hier erleben wir nicht nur Kopfbedeckungen der Muslima, sondern auch Nonnenschleier. Ikonographisch betrachtet verkehrt Deskur das berühmte Sudarium – das Tuch der Veronika, in das sich das ‚vera ikon‘, das wahre Antlitz Christi, abdrückte – indem sie den Schleier selbst in die Fliesen unzerstörbar einschreibt. Die Arbeit der Künstlerin wird in den gefliesten Fußboden des tiefgezogenen Altarraums der Kirche integriert.
In den so beschriebenen Altarraum integriert sich Alexandra Ranners Skulptur ‚ohne Titel (Haus II)‘. Ranner ist Professorin an der Berliner UdK/Universität der Künste. Die Künstlerin unterrichtet Architektur und so kreist ihre Arbeit stets um die syntaktische Aufladung von Architektur und Räumen. Bei der Skulptur ‚o T. (Haus II)‘ handelt es sich ursprünglich um das Modell eines aus Beton gebauten Hauses, das Ranner als Vorlage für einen Film Stück für Stück mit Hammer und Brecheisen zerstört. Das so absichtslos geschaffene Ergebnis erinnert an Medienbilder, die uns seit Jahren täglich konfrontieren: Zerstörte Häuser im Gaza, in Aleppo, in Damaskus und anderswo auf den Kriegsschauplätzen dieser Welt.

Die aus vier hochformatigen Tafeln bestehende Arbeit ‚Kreuzweg‘ von Anna und Bernhard Blume zeigt das Künstlerpaar selbst unter und an Kreuzen, die an architektonische Modelle erinnern. Bei der künstlerischen Inszenierung dieser Arbeit handelt es sich um eines der letzten Werke, die das Paar gemeinsam schuf, starb Bernhard Blume doch 2011, im Jahr des Entstehens des ‚Kreuzwegs‘. Während der Künstler sich an ‚seinem Kreuz‘ festhält und zum Himmel schaut, umarmt die Künstlerin ihr ‚Andreas-Kreuz‘ und richtet ihren Blick erschreckt nach oben.
Durch die digitale Nachbearbeitung erscheinen Körper und Gesichter des Künstlerpaares wie Skulpturen. Dem Längsschiff der St. Marienkirche werden einige alte Gemälde entnommen und in die entstehende Lücke der monumentale Kreuzweg der Blumes integriert.

Hinter dem Portikus der Kirche befindet sich der ca. 1484 infolge einer Pest entstandene Berliner Totentanz. Das 22,6 Meter lange und zwei Meter hohe Wandgemälde zeigt einen Reigen aus geistlichen und weltlichen Ständevertretern, die sich in einem Schreittanz mit jeweils einer Todesgestalt befinden.

Helen Escobedo, die 2010 verstorbene mexikanische Künstlerin, schuf 2001 die aus 61 lebensgroßen Skulpturen bestehende Installation ‚Los Refugiados / Die Flüchtlinge‘. Ihre Mittel sind Stofffetzen, an Abfall erinnernde Textilreste in kräftigen, meist mexikanischen Farben. In ihrer stillen, mahnenden Monumentalität und gesichtslos geblieben, erinnern sie an Ströme von Flüchtlingen ebenso wie auch der im Alten Testament beschriebenen Auszug aus Ägypten durch die Wüste. Durch das Material entsteht eine Ambivalenz, die viele der Skulpturen wie lebloses Leben wirken lässt.
Dadurch gehen sie einen Dialog mit den lebenden Toten des noch nicht vollständig restaurierten Totentanz Freskos ein. Alle Skulpturen Escobedos ‚tragen Kopftücher‘ und erinnern so an eine der berühmtesten historischen Flüchtlingsfrauen: an die Gottesmutter Maria, der die Kirche am Alexanderplatz geweiht ist.

Öffnungszeiten: täglich 10.00 – 18.00 Uhr
Eintritt frei.

~ 9 years ago
Sun, May 22 - Sat, Aug 06

Karl-Liebknecht-Str. 8, 10178 Berlin

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