Oskar Manigk - 79 Zeichnungen at Galerie Born Berlin on Berlin Art Grid
Galerie Born Berlin

Oskar Manigk - 79 Zeichnungen

Artists: oskar manigk
Genres: drawing

OSKAR MANIGK

Der Radiergummi

Es gab mal eine Zeit, da fing ich eine Zeichnung immer mit einem besonderen Strich an, den ich sofort wieder wegradierte, weil er falsch war, wie ich zu sehen glaubte. „Wenn Du zuviel herumradierst, wird dein Bild davon nicht besser!“, sagte meine Mutter. Und: „Sieh mal, die dreckigen Heftränder. Hast Du keinen Radiergummi?“, sagte der Grundschullehrer. „Doch“, sagte ich, konnte ihn aber so schnell nicht finden. Nur wie er aussah, mein Radiergummi, und daß er aus mehreren verschiedenfarbigen Schichten bestand, das weiß ich noch heute. Zusammen mit etwas Spucke konnte man sogar Tinte radieren oder auch ein Loch ins Papier, wenn man vor lauter Ordnungsliebe die Nerven verlor.

Er verließ gemeinsam mit mir die Schule, um Jahre gealtert. Und als ich ihn irgendwann einmal wieder brauchte, war er versteinert, brüchig und ohne Saft. Also kaufte ich mir alsbald einen neuen. Einen für Künstler. Und zur Pflege meiner allzu teuren, hochempfindlichen Passepartouts. Die sich so leicht was wegholen. Weil ihr Windelweiß sie ja so schwach macht dem Leben gegenüber und allem Kreativen. Und die sich rasch geschlagen geben müßten, hätte ich nicht für sie den Radiergummi bei der Hand, ihren Saubermann und allerbesten Freund. Den man daran erkennen kann, daß er im Laufe seines Arbeitslebens ständig an Größe und Aussehen verliert und zu einem Nichts zusammenschrumpft. Weshalb ich eigentlich nicht mit ihm tauschen möchte.

Die Mühelosigkeit

Ich denke mal, keiner will eine zu schwere Arbeit. Aber daß sie leichter wird, das will beinah jeder. Und wir alle zusammen wollen, daß der Fortschritt unser Leben besser macht. Weniger mühsam! Das wäre doch schön. Und auch der Maler und Künstler denkt in diese Richtung. Und wenn Karl Markt es gut mit ihm meint, dann verkauft er vielleicht gerade deshalb, mit seiner schnellwüchsigen Kunst, mehr als vorher.

„Das ist leichtverdientes Geld”, würde mein Nachbar sagen. Und ich sehe ihn mit seiner Motorsäge in den Wald gehen und schon bald mit einer großen Fuhre Brennholz zurückkommen. Denn auch er gönnt sich gerne mal eine Arbeitserleichterung. Und läßt die alte Handsäge im Schuppen verrosten.

„Deine Bilder müßten billiger werden. Jetzt, wo du so schnell eins fertig hast. Eins auf dem nichts wirklich Bedeutsames zu erkennen ist. Eins, das dich nicht ansieht mit zwei starren, wissenden Augen.„ „Manchmal“, sage ich, „ist es aber schön, schnell fertig zu sein. Und diese Art Bedenkenlosigkeit aufzubringen, die man als Kind schon mal hatte. Wo man keinerlei Darstellungszwänge kannte. Was ja ein sehr angenehmes Arbeiten gewesen sein muß.”

Ich war noch ziemlich klein, als ich meinem Vater zu seinem Geburtstag den lieben Gott gemalt habe. Auf einem Wolkenthron. Mit rechts und links einer Kriegsflagge zu seinem Schutz. Oder, noch ein paar Jahre früher, eine von mir so genannte Lokomotive. Mit viel zu vielen Rädern. Ein Monstrum aus Ungeschick und Aufregung. Einer Aufregung, die nur für wenige Striche reichte. Denn damals hörte man auf, wenn es anstrengend wurde. Und das Bild war dann fertig. Davon aber träume ich heute manchmal. Von dieser konzentrierten Unangestrengtheit. Von der Arbeitsersparnis, auf die alles hinsteuert wie auf einen Schattenplatz im Kaffeegarten. Wo der Eisbecher mit den süßen Früchten der Erkenntnis langsam vor sich hin taut. Und wir das Schweißtreibende nur noch zur Unterhaltung bräuchten.

Ansichtssache

„Warum hat die Malerin diese häßlichen Äpfel gemalt und sogar die wurmige Stelle noch so hingedreht, daß man sie gleich sieht?“, fragt meine Oma. Und wir sehen beide zu dem Früchtebild hoch, das über dem Klavier hängt. Da wußte ich nichts zu sagen. Aber ich spürte den Vorwurf und daß er auch mich betraf. Dabei hätte ich doch gut sagen können: Die Künstlerin hat wahrscheinlich beschlossen, das fleckige Obst nicht als das zu sehen, was es für gewöhnlich ist, sondern als ein malerisches Thema, vielleicht. Als eine Art kleines Farbwunder, das um so bedeutsamer wird, je länger man hinsieht.

An Omas Küchentisch aber gehören die schlechten Stellen herausgeschnitten. Weil sie den Geschmack des Kompotts verderben würden. Jeder weiß das und jeder tut das. Und der Apfel auf dem Bild soll sich uns von seiner besten Seite zeigen. Was denn sonst! Mit dem Küchenmesser in der Hand nämlich verändert sich unser Blick. Das ist wohl wahr. Und meine Bilder wissen das. Sie wissen, daß sie sich an die Wände verziehen müssen, wenn das Apfelkompott auf den Tisch kommt. Und von diesem, ihrem Dilemma handeln auch meine Zeichnungen mehr oder weniger.

Oskar Manigk

over 12 years ago
Thu, Feb 28 - Sat, Apr 06

Galerie Born Berlin
Potsdamer Str. 58
10785 Berlin

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